Hauptaufgabe der Verrechnungssteuer ist die Sicherstellung der Deklaration beweglicher Kapitalerträge (Dividenden, Obligationenzinsen) bei inländischen Sachverhalten. Von ihren Dividenden führen deshalb Schweizer Kapitalgesellschaften 35 Prozent an die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) ab. Geben Schweizer Aktionäre die Dividende in ihrer Steuererklärung an, wird die Verrechnungssteuer vom Fiskus zurückerstattet.

Die Verrechnungssteuer erfüllt bei Konzerndividenden keinen Sicherungszweck. Dies gilt insbesondere für innerschweizerische (qualifizierende) Dividenden (Beteiligungsabzug) aber auch bei verschiedenen Konstellationen von Dividenden im grenzüberschreitenden Verhältnis (Nullsatz aufgrund eines DBA oder des Zinsbesteuerungsabkommens). Obschon in diesen Fällen auf die Erhebung der Verrechnungssteuer verzichtet werden könnte, unterstellt das Gesetz auch solche Dividenden der Verrechnungssteuerpflicht. Immerhin bestimmt Artikel 20 des Verrechnungssteuergesetzes, dass die Steuerpflicht durch Meldung statt durch Steuererhebung erfolgen kann, wenn das Erhebungs- und Rückerstattungsverfahren zu unnötigen Umtrieben oder zu einer offenbaren Härte führen würde.

Für die Unternehmen ist das Meldeverfahren wichtig, weil ein unnötiger Liquiditätsabfluss vermieden werden kann (zum Teil nicht unerhebliche Zeitspanne zwischen Überweisung der 35%igen Verrechnungssteuer an die ESTV und Rückerstattung durch die ESTV).

Das Meldeverfahren bietet keine Probleme, wenn die Unternehmen ihrer Meldepflicht rechtzeitig und vollständig nachkommen (Einreichen sämtlicher erforderlichen Formulare innert 30 Tagen seit Fälligkeit der Dividende). In der Praxis kommt es immer wieder zu Fällen, in denen die Abrechnung nicht ordnungsgemäss erfolgt. Entweder werden die Formulare verspätet ausgefertigt und eingereicht oder die Ausfertigung unterbleibt versehentlich ganz.

Mit Entscheid vom 19. Januar 2011 legte das Bundesgericht fest, dass eine verspätete Meldung zur Verwirkung des Anspruchs auf das Meldeverfahren führt (nachfolgend „BGE vom 19.1.2011“). Bis zu jenem Entscheid und teilweise auch noch einige Zeit danach war die ESTV in verschiedenen Fällen kulant: Erstens wurde darauf verzichtet, das Meldeverfahren als verwirkt anzusehen; entsprechend konnte die Meldung noch nachgeholt werden. Zweitens liefen somit auch keine Verzugszinsen auf der nicht abgeführten Verrechnungssteuer auf. Aus Standortsicht bedauerlich ist, dass die ESTV schliesslich nicht einmal mehr darauf abstellte, ob ein Unternehmen vollständig aus eigenem Antrieb eine nachträgliche Meldung vornahm (z.B. weil eine konzernintern veranlasste Kontrolle das Versehen aufzeigte). Verzugszinsen in Höhe von 5% haben in solchen Fällen pönalen Charakter. Der Bund vereinnahmte aufgrund der Fälle mit strikter Anwendung des BGE vom 19.1.2011 (die von der Wirtschaft grösstenteils als „Praxisverschärfung“ angesehen wird) enorme Verzugszins- und Bussenbeträge. Dem Vernehmlassungsbericht lässt sich entnehmen, dass diese Beträge im Jahr 2013 CHF 323 Millionen ausmachten, wobei allein CHF 266,4 Millionen auf bloss 36 Steuerpflichtige entfielen (siehe Vernehmlassungsbericht, S. 13).

Es muss davon ausgegangen werden, dass den vereinnahmtem Bussen- und Verzugszinsbeträgen ein immenser Reputationsschaden für den Investitionsstandort Schweiz gegenüber steht. Vor diesem Hintergrund begrüsst SwissHoldings, dass die Parlamentarischen Initiative diese Problematik thematisiert und Massnahmen fordert.

Die ESTV gab bisher den Eingang einer Meldung dem Steuerpflichtigen weder elektronisch noch postalisch bekannt. Es kam deshalb vor, dass ein Unternehmen sein Versehen einer untergegangenen Meldung in gutem Glauben während Jahren gar nicht bemerkte und schliesslich Verzugszinsen über mehrere Jahre aufliefen. Ursprünglich hatten die Unternehmen keine Veranlassung, ihre Meldungen mit eingeschriebener Post einzureichen.

 

Stellungnahme im Wortlaut (PDF)

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