Die Rechtskommission des Nationalrats hat diesen Montag erneut über die «Sammelklagen»-Vorlage beraten. Diese möchte das Instrumentarium in der Schweiz zur kollektiven Durchsetzung von Rechtsansprüchen substanziell ausbauen. Die Kommission hat beschlossen, den Entscheid über Eintreten auf die Vorlage zu verschieben und stattdessen weitere Abklärungen in Auftrag gegeben. SwissHoldings begrüsst dies. Ein Blick ins europäische Ausland zeigt, dass die Zulassung von Sammelklagen eine Ansiedlung einer professionellen „Klageindustrie“ zur Folge gehabt hat, wodurch sich die Prozess- und Rechtskultur im Land massgeblich verändert haben. Bei der Einführung von Sammelklagen geht es folglich um einen Grundsatzentscheid, der gestützt auf einer sorgfältigen Abwägung der Chancen und Risiken getroffen werden sollte.
Der Bundesrat hatte am 10. Dezember 2021 die Botschaft zu den Sammelklagen verabschiedet (Geschäft 21.082). Die Vorlage gründet im Wesentlichen auf Vorarbeiten der Verwaltung aus dem Jahr 2014. Sie sieht vor, dass die bereits bestehende Verbandsklage zur Geltendmachung von Persönlichkeitsverletzungen auf sämtliche Rechtsverletzungen erweitert und zusätzlich eine neue Verbandsklage eingeführt werden soll, um die kollektive Durchsetzung von Ansprüchen auf Schadenersatz oder Gewinnherausgabe im Falle von Massen- oder Streuschäden zu ermöglichen. Zudem sollen neu kollektive Vergleiche zugelassen werden. Die Rechtskommission des Nationalrates (RK-N) ihrerseits hatte anlässlich ihrer Sitzung vom 24. Juni 2022 die Beratung zum Geschäft aufgenommen und hierbei Zweifel an der Vorlage des Bundesrates geäussert. Gleichzeitig hat sie umfangreiche Zusatzabklärungen vom Bundesamt für Justiz (BJ) eingefordert. Die Berichte des BJ liegen nun vor und so hat sich die RK-N vorgestern erneut mit der Vorlage befasst.
Es braucht Massnahmen gegen die hohen Missbrauchsrisiken der Vorlage
Die Prüfberichte der Verwaltung (siehe dazu auch Medienmitteilung der RK-N) gehen auf die berechtigten Grundsatz-Bedenken der Kommission in Bezug auf die Einführung von Sammelklagen-Instrumenten jedoch nur am Rande ein. Dies steht im direkten Gegensatz zu den aktuellen Diskussionen auf Ebene EU. Dort werden weitgehende «Safeguard»-Instrumente bis hin zu einem grundsätzlichen Verbot kommerzieller Prozessfinanzierung oder eine generelle Einschränkung des Zugangs zu ordentlichen Zivilverfahren über eine Vorprüfungsklausel diskutiert, um das Missbrauchspotential der Instrumente einzuschränken. Des weiteren wirft Fragen auf, dass für die Regulierungsfolgenabschätzung (RFA) kein einziges Unternehmen in der Schweiz befragt worden ist, obwohl es Usanz bei solchen Kostenabschätzungen ist, dass die hauptbetroffenen Akteure sich einbringen können. Es ist daher folgerichtig, dass die Kommission am Montag entschieden hat, dass eine erweiterte Prüfung von Sicherheitsmassnahmen sowie eine Validierung des bereits vorliegenden RFA-Berichts durch direkte Unternehmensbefragungen angezeigt ist, bevor sie über das weitere Vorgehen entscheiden kann.
Die Schweiz soll sich die nötige Zeit für eine wohldurchdachte Lösung nehmen
Gute Rahmenbedingungen sind der Schlüssel für den Erfolg und den Wohlstand in der Schweiz. Die Schweiz tut gut daran sorgfältig zu prüfen, wie weit tatsächlich Handlungsbedarf besteht und ob es bei Fallkonstellationen von Massen- und Streuschäden nicht gestützt auf bestehende Instrumente Ansätze gibt, welche den im Wesentlichen bereits stark überholten Konzepte der aktuell diskutierten Vorlage des Bundesrates überlegen sind. Es gibt keinen Grund, hier voreilig Schlüsse zu ziehen. Die Qualität des Schweizer Rechtssystems ist im internationalen Vergleich bereits heute überdurchschnittlich. Die revidierte Zivilprozessordnung wird eine weitere Verbesserung des Zugangs zum Gericht zur Folge haben. Zudem können Betroffene bereits heute gemäss geltendem Recht ihre Ersatzansprüche für Massen- oder Streuschäden geltend machen, auch bei kleinen Schäden. Durch die aktuellen technologischen Entwicklungen – insbesondere im KI-Bereich – werden diese Möglichkeiten noch weiter ausgebaut.
Bei Rückfragen:
Denise Laufer | Mitglied der Geschäftsleitung SwissHoldings | +41 (0)76 407 02 48