Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, sehr geehrte Damen und Herren,
SwissHoldings, der Verband der Industrie- und Dienstleitungsunternehmen in der Schweiz, umfasst 59 der grössten Konzerne der Schweiz, welche zusammen rund 70% der gesamten Börsenkapitalisierung der SIX Swiss Exchange ausmachen. Gerne nehmen wir zur titelgenannten Vernehmlassung wie folgt Stellung:
1. Allgemeine Bemerkungen
Wichtigkeit der zeitlichen Beschränkung sowie der Notwendigkeit und der Verhältnismässigkeit: Der Gesetzesentwurf gibt dem Bundesrat weitgehende Kompetenzen, die ansonsten dem Parlament zukämen. Entsprechend liegen mögliche Bedenken nahe und es ist Vorsicht geboten. Der Bundesrat hat aber im Rahmen der Covid-19-Krise mit seinen Massnahmen bewiesen, wie effizient und sinnvoll unsere Exekutive mit den Notverordnungen voranschreiten kann. Entsprechend möchte der Verband zum Erhalt der Flexibilität in der Krise und im Sinne eines guten Krisenmanagements dem Grundsatz zustimmen, dass ein Covid-Gesetz erlassen wird, das dem Bundesrat gewisse Kompetenzen erteilt.
Wichtig ist es jedoch dabei, dass dieses wie im Gesetzentwurf gemäss Art. 13 Abs. 2 festgehalten bis 2022 zeitlich beschränkt ist. Auch wesentlich ist die Bestimmung in Art. 1 Abs. 2 des Gesetzesentwurfs, wonach der Bundesrat von diesen Befugnissen nur so weit Gebrauch macht, als dies zur Bewältigung der Covid-19-Epidemie notwendig ist.
Zusätzlich erachten wir es als wichtig, dass noch klargestellt wird, dass die Massnahmen des Bundesrats auch verhältnismässig sein müssen.
Wichtigkeit des grenzüberschreitenden Warenverkehrs und Grenzübertritts von Personal; Eingriffe in die Produktion nur als äusserste Massnahme: Weiter möchten wir darauf hinweisen, dass für das Funktionieren unserer Mitgliedfirmen und für die Schweiz globale Lieferketten und offene Grenzen von äusserster Wichtigkeit sind; der grenzüberscheitende Warenverkehr und der Grenzübertritt von Personal sind zentrale Bereiche für die Produktion in der Schweiz und die damit zusammenhängenden Lieferketten. Eingriffe in die Produktion dürfen nur als äusserste Massnahme vorgenommen werden.
2. Inhalt
Art. 2:
Art. 2 greift potentiell sehr weit in die Eigentumsgarantie und das wirtschaftlich freie Handeln ein. Wir möchten nur auf einzelne Aspekte dieser Regelung eingehen. Ansonsten verweisen wir auf die Eingaben der von ihr besonders betroffenen Branche bezüglich Heilmittel und Schutzausrüstungen.
- 2 Abs. 2: Globale Lieferketten und offene Grenzen sind für das Funktionieren unserer Mitgliedfirmen und für die Schweiz wie oben erwähnt zentral. Dies gilt wie oben ausgeführt allgemein. Beim Handel mit lebenswichtigen Produkten wie Medikamenten und Medizinalprodukten ist noch folgendes hinzuzufügen: Die Einschränkung des Warenverkehrs widerspricht gewissermassen den internationalen Bestrebungen, den internationalen Handel mit Gesundheitsprodukten in der Corona-Pandemie zu erleichtern. Gerade in diesem Bereich ist es äusserst wichtig, dass Kunden in der Schweiz und weltweit effizient mit lebenswichtigen Produkten wie Medikamenten versorgt werden können.
Entsprechend der Wichtigkeit der Globalen Lieferketten und der offenen Grenzen muss hier gelten, dass angeordnete Massnahmen immer nur dann möglich sind, wenn sie notwendig und verhältnismässig sind. Hierzu sollten auch die betroffenen Unternehmen und Branchen angehört werden.
- 2 Abs. 3: Auch hier muss unbedingt gelten, dass solche Massnahmen nur angeordnet werden können, wenn sie notwendig und verhältnismässig sind. Sie sollen insbesondere nur unter der Voraussetzung ergriffen werden können, dass die Versorgung der Schweiz nicht mehr durch die Privatwirtschaft gewährleistet werden kann.
- 2 Abs. 3 lit e: Die Beschlagnahme von Eigentum nach Art. 2 Abs. 3 lit. e ist de facto eine Enteignung und nur gegen volle Wertentschädigung zulässig (Wertgarantie). Eine Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit verlangt die Voraussetzungen von Art. 36 BV, zudem darf sie nicht zu einer Verzerrung des Wettbewerbs führen. Entsprechend müsste dem Art. 2 Abs. 3 lit. e der Teilsatz «gegen vollumfängliche Entschädigung» vorangestellt werden.
Art. 2 Abs. 3 lit. f: Die Massnahme ist sehr weitgehend; hier muss gelten, dass diese nur als ultima ratio angeordnet werden kann, wenn alle anderen Massnahmen ausgeschöpft sind.
Weiter muss die kann-Formulierung in Art. 2 Abs. 3 lit. f in eine muss-Formulierung abgeändert werden. Als finanzielle Nachteile müssen auch Umsatzeinbussen gelten, welche daraus entstehen, dass andere Produkte nicht gefertigt werden können. Wünschenswert wäre eine Möglichkeit der Hersteller, ihre Einbussen unkompliziert zur Entschädigung anzumelden, ähnlich wie auch in vielen anderen Bereichen der Bund Entschädigungsleistungen im Zuge der Covid-19-Pandemie leistet/e. - 2 Abs. 4: Diese Bestimmung ist sehr umfassend und unbestimmt. Eine zeitlich unbeschränkte Blankoermächtigung zum Verbot wirtschaftlicher Tätigkeiten ist nicht mit einer markwirtschaftlichen Grundordnung vereinbar und es stellt sich die Frage, ob sie verfassungskonform ist (Institutsgarantie). Unseres Erachtens sollte dieser Absatz – auch wenn gewisse Einschränkungen im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Epidemie je nach Situation angezeigt sein können – also gänzlich gestrichen werden.
Art. 3:
Hier möchten wir, wie oben bereits ausgeführt, darauf hinweisen, dass für die Schweiz und die Mitgliedfirmen offene Grenzen äusserst wichtig sind. Es ist wichtig, dass Spezialistinnen und Spezialisten einreisen können und Grenzkontrollen nicht zu Mobilitätsbehinderungen von Grenzgängerinnen und Grenzgängern führen.
Art. 5:
Art. 5 des Covid-19-Gesetzes möchten wir ausdrücklich begrüssen und auf die Wichtigkeit desselben hinweisen. Im Falle der Anordnung von Versammlungsverboten muss für die Abhaltung der Generalversammlung – damit wichtige Beschlüsse gefasst werden können – die Generalversammlung abgehalten werden können. Die Stimmabgabe über den unabhängigen Stimmrechtsvertreter stellt hier eine praktikable Lösung dar.
Art. 11:
Die Strafbestimmung ist unseres Erachtens abzulehnen. Art. 1 StGB verlangt ja die klare Umschreibung eines strafbaren Verhaltens (= objektiver Tatbestand) in einem formellen Gesetz, also einem vom ordentlichen Gesetzgeber erlassenen Rechtssatz. In Art. 11 Abs. 1 wird lediglich auf noch nicht bestehende bundesrätliche Verordnungen verwiesen. Es stellt sich die Frage, ob dies Art. 1 StGB genügt. Weiter ist auch ganz allgemein festzuhalten, dass nicht jedes Gesetz einer Strafandrohung bedarf.
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