Editorials

emissionsabgabe abschaffen

Dr. Gabriel Rumo

Direktor
SwissHoldings

Mitte letzten Jahres beschloss die deutsche Finanzverwaltung eine 100-jährige Regelung zu reaktivieren, welche einen verheerenden Bürokratietsunami bei zahlreichen grossen Schweizer Unternehmen und kantonalen Steuerverwaltungen losgetreten hat. Dies ist besonders unverständlich, da der deutsche Fiskus von Schweizer Unternehmen durch diese Reaktivierung keine zusätzlichen Steuereinnahmen einnimmt.

Der Grund für diesen Tsunami ist, dass deutsche Steuerbeamte eine zu Zeiten der Weimarer Republik, genauer im Jahr 1925, geschaffene Steuernorm wiederentdeckt haben. In §49 Absatz 1 Nr. 2f des deutschen Einkommensteuergesetzes schlummert nämlich ein Passus, der bisher nie zur Anwendung gelangte und den deutschen Beamten dazu nutzen, internationale Unternehmen akribisch zu durchleuchten und ihnen dabei einen riesigen administrativen Aufwand aufzubürden. Gerechtfertigt wird dieser Aufwand mit den hehren Zielen der «Trockenlegung von Steueroasen» und der Sicherstellung einer «fairen Besteuerung». Dass gegen Steueroasen bereits gefühlte hundert andere Instrumente zur Verfügung stehen, ist für die deutschen Beamten offensichtlich nebensächlich.

 

Unangemessener Ansatz

In besagtem §49 Absatz 1 Nr. 2f wird festgelegt, dass – vereinfacht gesprochen – Lizenzeinnahmen aus einem beim Deutschen Patentamt in München eingetragenen Patent bzw. dem Verkauf eines solchen Patentes zwischen zwei nicht in Deutschland ansässigen Unternehmen eine Quellensteuerabgabepflicht in Deutschland auslösen, wenn Verkäufe des patentgeschützten Produktes (z.B. Medikamente, Maschinen und ganz vieles mehr) auch in Deutschland stattfinden.

Der Grundgedanke der deutschen Finanzbeamten ist, dass Lizenzverträge verhältnismässig einfach über Briefkastenfirmen in Steueroasen aufgesetzt werden können und über diese Gesetzesnorm Zugriff auf die damit verbundenen Geldflüsse erlangt werden kann. Mit diesem «spitzen Schwert» sollen Konstrukte zur Steuervermeidung getroffen werden. Nur verkennt der deutsche Fiskus, dass sie es nicht mit einer geschliffenen Klinge, sondern einem stumpfen Brotmesser zu tun haben.

Die Schweiz ist ein Land der Innovation, in dem Forschung und Entwicklung auf Weltstandard betrieben wird. Zudem ist Deutschland für die Schweiz der wichtigste Handelspartner. Folgerichtig tragen Schweizer Unternehmen selbstverständlich ihre Patente auch beim Deutschen Patentamt in München ein. Zudem hat auch schon das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz eine eindeutige Regelung für die Besteuerung von Lizenzeinnahmen und Patentverkäufen zwischen beiden Ländern gefunden, die das Besteuerungsrecht des deutschen Fiskus erheblich einschränkt, wenn nicht sogar grundsätzlich ausschliesst.

 

Absehbare Bürokratieflut für alle involvierten Akteure

Unter Missachtung der bestehenden Regelungen verlangt der deutsche Fiskus nun jedoch neu auch für einen Lizenzvertrag oder Patentverkauf ohne deutschen Vertragspartner, also beispielsweise auch zwischen zwei Schweizer Gesellschaften oder einer Schweizer und einer italienischen Gesellschaft, die Einbehaltung von «Quellensteuern» und Einkommensteuern. Diese Forderung des deutschen Fiskus beruht auf der Neu-Interpretation der reinen Eintragung des Patents in Deutschland als deutsche «Quelle». Das zuständige Finanzamt in München unterstellt sogar, dass Schweizer Unternehmen wissentlich und willentlich eine Nicht-Anmeldung ihrer Steuerschuld vorgenommen hätten und fordert nun alle Schweizer Unternehmen auf, Steuererklärungen einzureichen und die Steuerschulden seit dem Jahr 2012 zu entrichten. Dieser Vorwurf ist bizarr, da dieser Gesetzespassus trotz seiner fast 100-jährigen Existenz nie zur Anwendung gelangte und damit eine unzulässige rückwirkende Anwendung vorliegt. Dennoch versendet das Münchener Finanzamt Aufforderungen mit Fristen von wenigen Tagen, die eventuell betroffenen Sachverhalte offenzulegen. Verstörend ist auch das Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom Februar 2021, in dem «grosszügigerweise» nun Übergangsfristen für die Einreichung von Freistellungsanträgen von ein paar Monaten gewährt werden, wenn doch im Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland klar geregelt ist, dass Deutschland keinen Anspruch auf irgendwelches Steuersubstrat oder auf eine allgemeine Anmeldung aus solchen Fällen hat.

Um Deutschland als Handelspartner nicht zu verlieren und eine Steuerstrafverfolgung in Deutschland mit Strafsteuern zu vermeiden, arbeiten nun viele Steuerabteilungen internationaler Schweizer Unternehmen mit Hochdruck an der Aufarbeitung zigtausender Lizenzvereinbarungen für die Vergangenheit und Gegenwart. Der administrative Aufwand für die zahlreichen Unternehmen ist gewaltig (Nachforschungen, Information von Partnerunternehmen, Übersetzung der Verträge ins Deutsche u.v.m.). In vielen Fällen wird auf die Informationen gar nicht zugegriffen werden können, weshalb eine definitive Steuerbelastung in Deutschland nicht zu vermeiden sein wird (z.B. bei gruppenexternen Lizenzgebern oder mittlerweile liquidierten Unternehmen). Die dazugehörigen Steuererklärungen pro Lizenzvertrag, inklusive diverser Anlagen, müssen von den kantonalen Steuerverwaltungen auf ihre Richtigkeit geprüft werden, bevor sie über die Eidgenössische Steuerverwaltung in Deutschland eingereicht werden können. Diese Flutwelle wird die kantonalen Steuerverwaltungen in den nächsten Wochen erreichen. Und zu guter Letzt müssen die Anträge in Deutschland genehmigt und eine Freistellung von der Quellensteuerabgabepflicht erteilt werden. Da diese Aufforderung weltweit versandt wurde, könnten dies rund eine Million an Anträgen sein, die Deutschland bis Ende 2021 bearbeiten und genehmigen muss. Zudem müssen dann internationale Schweizer Unternehmen quartalsweise Steuererklärungen in Deutschland für freigestellte Lizenzzahlungen einreichen. Und dies alles für ein zusätzliches Steuereinkommen von Schweizer Unternehmen von voraussichtlich null Komma nichts, schliesslich halten grosse Schweizer Unternehmen ihre Lizenzen in der Schweiz und nicht in Steueroasen. Falls Deutschland diese Antragswelle nicht rechtzeitig bewältigen kann, wären Schweizer Unternehmen verpflichtet, die «Quellensteuern» zunächst zu zahlen, um sie dann in einem späteren Schritt wieder zurückzufordern.

 

Es braucht eine rasche Reaktion

Es erscheint zum heutigen Zeitpunkt unwahrscheinlich, dass Deutschland seine Steuerpraxis noch vor den Bundestagswahlen im September 2021 ändern wird. Deshalb sind die Schweizer Behörden gefordert, Druck auf Deutschland aufzubauen. SwissHoldings steht hierzu im engen Austausch mit dem Staatssekretariat für internationale Finanzfragen SIF. Es muss verhindert werden, dass internationale Schweizer Unternehmen und die kantonalen Steuerverwaltungen mit unnötigen Anträgen geflutet werden. Der bürokratischen Hydra Deutschlands muss trotz einem Wahljahr rechtzeitig Einhalt geboten werden.

Das aktuelle Beispiel zeigt, dass Steuerregulierungen umsichtig ausgestaltet werden müssen, um Kollateralschäden zu vermeiden. Dies gilt auch bei grenzüberschreitenden Regelungen, wobei auf solche ohne Mehrwert grundsätzlich verzichtet werden soll.

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