Die Wettbewerbskommission (WEKO) hat am 5. Juli 2022 Entwürfe für eine revidierte Vertikalbekanntmachung (E-VertBek) zusammen mit zugehörigen Erläuterungen (E-VertBek-Erläuterungen) publiziert und zur Vernehmlassung eingeladen. Wir danken Ihnen für die Einladung, im Rahmen der obengenannten Vernehmlassung Stellung zu nehmen. Gerne äussern wir uns dazu wie folgt:
Zusammenfassung
Die zur Vernehmlassung vorliegende E-VertBek und die E-VertBek-Erläuterungen beinhalten im Allgemeinen begrüssenswerte Anpassungen, welche die Kohärenz mit den EU-Wettbewerbsregeln im Vertikalbereich sicherstellen sollen. Für eine Reihe von Punkten sehen die E-VertBek und die E-VertBek-Erläuterungen aus unserer Sicht nicht zwingend notwendige strengere Regeln bzw. Lücken vor(z.B. stillschweigende Verlängerung Wettbewerbsverbote, strengere Bewertungskriterien unverbindlicher Preisempfehlungen; vgl. dazu nachfolgend). Dieser „Swiss Finish“ führt dazu, dass in der kartellrechtlichen Vertriebspraxis auch in Zukunft die Verträge mit Auswirkungen auf die Schweiz gemäss den strikteren Schweizer Regeln geprüft werden müssten.
1. Europakompatibilität der Schweizer Wettbewerbsregeln im Vertikalbereich
Die E-VertBek soll gemäss deren einleitenden Erwägung VII. eine Angleichung an das europäische Recht und insbesondere an die Regeln der EU im Vertikalbereich ermöglichen (vgl. auch Vernehmlassungsschreiben der WEKO vom 5. Juli 2022). SwissHoldings unterstützt die Anlehnung der E-VertBek und der E-VertBek-Erläuterungen an die seit dem 1. Juni 2022 geltende neue europäische Vertikal-GVO bzw. die Vertikal-Leitlinien und teilt insbesondere die Stossrichtung hin zu eurokompatiblen Wettbewerbsregeln für die Schweiz.
Es ist ein Anliegen von SwissHoldings, dass gerade in diesem Bereich strengere Sonderregelungen für die Schweiz («Swiss Finish») unterbleiben.
2. Stillschweigende Verlängerung der Fünfjahresfrist für Wettbewerbsverbote
Die EU-Kommission hat in den neuen Vertikal-Leitlinien (Rz. 248) klargestellt, dass auch Wettbewerbsverbote, die für einen Zeitraum von fünf Jahren abgeschlossen werden, über diesen Zeitraum hinaus stillschweigend verlängert werden und unter die Gruppenfreistellung fallen können, sofern angemessene Kündigungs- und Neuverhandlungsmöglichkeiten bestehen. Weder in der E-VertBek noch in den E-VertBek-Erläuterungen findet sich ein Äquivalent zu dieser Klarstellung in den Vertikal-Leitlinien.
Das Fehlen einer solchen parallelen Regelung in der Schweiz könnte zu Rechtsunsicherheiten führen und es ist nicht nachvollziehbar, weshalb eine den europäischen Vertikal-Leitlinien nachempfundene, liberalere Regelung unterbleiben soll.
3. Zulässigkeit unverbindlicher Preisempfehlungen
Art. 4 Bst. a der Vertikal-GVO und die Vertikal-Leitlinien (Rz. 188) geben Hinweise auf die Zulässigkeit von Preisempfehlungen, sofern sich solche nicht infolge der Ausübung von Druck oder der Gewährung von Anreizen wie Fest- oder Mindestverkaufspreise auswirken.
Demgegenüber sind die bisher vorhandenen Ausführungen zu Preisempfehlungen in der E-VertBek weitestgehend entfernt worden. Diese praxisrelevante Thematik soll zukünftig nur in den E-VertBek-Erläuterungen behandelt werden. Materiell weichen die E-VertBek-Erläuterungen (Rz. 8) vom aktuellen europäischen Standard ab und sehen «Druck» oder «Gewährung von Anreizen» nur als ein mögliches Kriterium zur Beurteilung der Zulässigkeit von Preisempfehlungen vor. Dem im Bundesgerichtsurteil i.S. «Pfizer» behandelten Sonderfall wird in den E-VertBek-Erläuterungen ein übermässig grosses Gewicht zugemessen. Die daraus abgeleiteten Kriterien «Abstimmung», etwa in Form «besonders intensive[r] Kommunikation», und «Abstimmungserfolg» erscheinen nicht derart verallgemeinerbar und sind für die Anwendung in der Unternehmenspraxis nicht sachgerecht. In den allermeisten Vertriebsnetzen wird nämlich zugunsten des Geschäftserfolges eine relativ intensive Kommunikation geführt, währenddem der Hersteller in aller Regel gerade über kein Wissen zum tatsächlichen Befolgungsgrad von Preisempfehlungen seitens seiner Vertriebspartner (d.h. dem «Abstimmungserfolg») verfügt.
SwissHoldings würde es begrüssen, wenn für die Bewertung unverbindlicher Preisempfehlungen in den Vernehmlassungsentwürfen auf den aktuellen europäischen Standard abgestellt würde (vgl. oben) und in diesem Bereich eine strengere Schweizer Sonderregelung unterbliebe.
4. Qualifikation der Agenturverhältnisse
Im Gegensatz zu europäischen Vertikal-Leitlinien enthalten weder die E-VertBek noch die E-VertBek-Erläuterungen Hinweise zur rechtlichen Qualifizierung von Agentur- bzw. Handelsvertreterverhältnisse im Bereich der vertikalen Vereinbarungen bzw. Vertriebssystemen. SwissHoldings würde es zur Erhöhung der Rechtssicherheit in diesem Punkt unterstützen, wenn die WEKO in Anlehnung an die aktuellen Vertikal-Leitlinien diesbezügliche Vorgaben in die E-VertBek-Erläuterungen aufnehmen würde.
Wir danken Ihnen für die Möglichkeit zur Stellungnahme und für die Berücksichtigung unserer Position. Für allfällige Erläuterungen oder Auskünfte zu unseren Ausführungen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Download Stellungnahme [pdf]