Editorials, Wirtschaft

Die Europäische Kommission hat gestern mit dem „Simplification Omnibus“ weitreichende Anpassungen an den Nachhaltigkeits- und Lieferkettenvorschriften vorgeschlagen. Ziel ist es, Bürokratie abzubauen und Unternehmen zu entlasten – mit Einsparungen von bis zu 6,3 Milliarden Euro. Geplante Änderungen umfassen reduzierte Berichtspflichten, gelockerte Haftungsregelungen und eine verzögerte Umsetzung. Auch für die Schweiz hat die Reform Folgen.

Die Europäische Kommission hat ein umfassendes Reformpaket unter dem Namen “Simplification Omnibus” vorgestellt. Ziel dieser Omnibus-Vorlage ist es, bestehende Regelwerke im Bereich der Nachhaltigkeit – insbesondere Berichts- und Lieferkettenvorschriften – zu bündeln und zu vereinfachen. Diese Richtlinien sind Teil des «Green Deal». Dieser startete als ehrgeiziges Nachhaltigkeitsvorhaben, wurde aber zu einem bürokratischen Albtraum. Die Fülle an Vorschriften und die Vielzahl an geforderten Datenpunkten brachten zahlreiche Unternehmen an ihre Grenzen. Dieser Regulierungsansatz wurde deshalb zunehmend kritisiert, insbesondere von Mario Draghi in seinem Bericht zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der EU sowie von Wirtschaftsverbänden bedeutender Industriestaaten. Laut Schätzungen der Kommission könnten die neuen Massnahmen die Wirtschaft nun um Verwaltungskosten in Höhe von 6,3 Milliarden Euro entlasten.

Rückkehr der Vernunft

Eine zentrale Neuerung betrifft die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD). Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, die Anzahl der berichtspflichtigen Unternehmen drastisch zu reduzieren. Nur noch 20 Prozent der ursprünglich betroffenen Firmen müssen weiterhin Nachhaltigkeitsberichte erstellen. Zudem soll die Anzahl der zu berichtenden Datenpunkte reduziert sowie die Anforderungen an die externe Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte der Unternehmen gelockert werden.

Auch das EU-Lieferkettengesetz (CSDDD) erfährt bedeutende Anpassungen. Dazu gehört beispielsweise eine Einschränkung des Umfangs der Sorgfaltsprüfung. So müssten neu nur noch direkte Zulieferer in die Risikoanalyse einbezogen werden und nicht wie vorher die gesamte Lieferkette. Auf Vorgaben zur zivilrechtlichen Haftung wird komplett verzichtet und das Buss-System wird verhältnismässiger gestaltet. Die Umsetzung des CSDDD wurde überdies um ein Jahr aufgeschoben. Ab 2029 würde die Richtlinie dann nur noch für Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten und einem weltweiten Nettojahresumsatz von mehr als 450 Millionen Euro gelten.

Weitere Vereinfachungen sind für die Taxonomie-Verordnung sowie das CO₂-Grenzausgleichssystem vorgesehen. Dieses Omnibus-Paket muss nun den legislativen Prozess durchlaufen. Das EU-Parlament sowie der Ministerrat müssen sich auf einen finalen Entwurf einigen, bevor die neuen Regelungen in nationales Recht umgesetzt werden können. Bis dahin hat die EU-Kommission die Pflichten für die EU-Mitgliedsstaaten zur Umsetzung der CSRD und CSDDD temporär ausgesetzt.

Omnibus und die Folgen für die Schweiz

In der Schweiz wurden Vorschriften zur menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflicht sowie zur Transparenz im Rahmen des indirekten Gegenvorschlags zur Konzernverantwortungsinitiative eingeführt. Berücksichtigt man die Änderungen des Omnibus-Pakets, entspricht die Schweizer Regulierung dem EU-Ansatz und geht im Bereich der Kinderarbeit sogar darüber hinaus. Der Bundesrat prüft seit Längerem eine Weiterentwicklung dieser Regeln. Im Oktober 2023 führte er beispielsweise eine Vernehmlassung zur Ausweitung der Berichtspflichten durch. Die neue Konzernverantwortungsinitiative ist indes bereits vor ihrer Einreichung überholt, da sie sich eng an die ursprüngliche Version der CSDDD anlehnt, die nun von der Omnibus-Verordnung überarbeitet wird.

Das Ziel sicherzustellen, dass Nachhaltigkeit weiterhin breit in der Wirtschaft verankert ist, bleibt unbestritten. SwissHoldings plädiert aber dafür, den laufenden Überprüfungsprozess auf EU-Ebene abzuwarten, bevor in der Schweiz endgültige Entscheidungen zur Weiterentwicklung der eigenen Regeln getroffen werden. Ein „Swiss Finish“ würde Schweizer Unternehmen nämlich unnötig belasten und sie im internationalen Wettbewerb benachteiligen. Entscheidend ist eine praxistaugliche Regulierung, die nachhaltige Entwicklung fördert, ohne Unternehmen zu überfordern. Andernfalls drohen Rückzüge aus schwierigen Märkten oder der Abbruch von Geschäftsbeziehungen – das Gegenteil dessen, was erreicht werden soll.

Kontakt
Denise Laufer | Leiterin Wirtschaft & Mitglied der Geschäftsleitung | +41 (0)76 407 02 48

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