Sehr geehrte Damen und Herren Mitglieder des Nationalrats,
Sie werden voraussichtlich am 3. Juni 2020 über die titelgenannte Motion beraten. SwissHoldings, der Verband der Industrie- und Dienstleitungsunternehmen in der Schweiz, umfasst 59 der grössten Konzerne der Schweiz, welche zusammen rund 70% der gesamten Börsenkapitalisierung der SIX Swiss Exchange ausmachen. Im Hinblick auf Ihre Beratung möchten wir Ihnen unsere Empfehlungen abgeben:
Gemäss der Motion wird der Bundesrat «beauftragt, eine Gesetzesänderung (bspw. des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes) vorzulegen, um die Interessenkonflikte der Stimmrechtsberater (“Proxy Advisors”) bei börsenkotierten Aktiengesellschaften offenzulegen und zu vermeiden. Er berücksichtigt dabei die internationale Entwicklung.»
Wir empfehlen Ihnen die Ablehnung der Motion Minder.
Das Thema Regulierung der Proxy Advisor verdient zwar grundsätzlich die Aufmerksamkeit der Verwaltung. Primäres Problem, das angegangen werden müsste, wäre aber ganzheitlich die Qualität der Leistungen der Stimmrechtsberater. Stimmrechtsberater, vor allem die amerikanischen ISS und Glass Lewis haben heute einen ganz wesentlichen Einfluss auf die Geschehnisse der Schweizer Gesellschaften und Konzerne; sie beraten die institutionellen Investoren über Abstimmungsempfehlungen für die Generalversammlungen unserer Gesellschaften. Die Praxis zeigt nun aber leider, dass die Proxy Advisor über die schweizerischen rechtlichen Vorgaben und die hiesigen Gepflogenheiten häufig ungenügend informiert sind. Darunter leiden die Qualität der Analyse wie auch die Gesprächskultur im Verhältnis zu den Unternehmen und Investoren. Entsprechend dem Hauptproblem der mangelnden Qualität der Leistungen derselben bezieht sich denn zum Beispiel die EU Richtlinie (EU 2017/828; Art. 3j) zum Thema auf verschiedene Aspekte bezüglich Qualitätsverbesserung der Leistungen der Proxy Advisor und unter anderem auf das Problem der Interessenkonflikte derselben.
Entgegen dieser wichtigen ganzheitlichen Betrachtung und den gesamtheitlichen internationalen Entwicklungen will nun die Motion Minder allein auf Interessenkonflikte fokussieren. Es würde damit die Aufmerksamkeit der Verwaltung auf einen spezifischen Aspekt gelenkt, anstatt dass das Thema fundiert und vollumfänglich angegangen wird.
Anstatt auf die titelgenannte Motion fokussieren zu müssen, sollte die Verwaltung vielmehr verschiedene Lösungsansätze zur Qualitätsverbesserung der Dienstleistungen der Proxy Advisor fundiert und im Licht der internationalen Entwicklungen studieren können. Hier kommen diverse Regulierungsmassnahmen in Frage: Zu prüfen wäre namentlich die Einführung einer Pflicht für die Proxy Advisor, die Kriterien, nach welchen Abstimmungsempfehlungen gemacht werden, transparent offenzulegen und die Einführung des Erfordernisses der Proxy Advisor zu finanzieller und personeller Unabhängigkeit. Weiter könnte man diese verpflichten, ihre Berichte den Gesellschaften im Entwurf zur Prüfung zukommen zu lassen. Auch könnte man eine Pflicht für die Proxy Advisor prüfen, wonach sie offenlegen müssen, wie sie finanziert werden und welche Mandate die oberste Führung in Leitungsorganen von Firmen und NGO einnehmen. Im Übrigen könnte man auch prüfen, ob Proxy Advisor analog den kotierten Gesellschaften nicht auch einen Vergütungsbericht erstellen müssten. Die Liste möglicher regulatorischer Massnahmen zur Verbesserung der Qualität der Leistungen der Proxy Advisor ist lang.
Schliesslich müsste die Verwaltung aber auch prüfen, wie genau eine entsprechende Regulierung gemäss den Regeln des internationalen Privatrechts verwirklicht werden kann, da ja wesentliche Proxy Advisor wie ISS und Glass Lewis ihren Sitz nicht in der Schweiz haben. Keine Lösung kann es sein, dass – wie einmal in der Aktienrechtsrevision vorgeschlagen und richtigerweise verworfen – über Transparenzpflichten der Gesellschaften reguliert wird. Diese haben ja auf die Qualität der Dienstleistungen der Proxy Advisor keinen Einfluss und ziehen Nachteile aus der schlechten Qualität der Dienstleistungen der Stimmrechtsberater.
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