Die Wirtschaft unterstützt die laufende ZPO-Revision. Dabei begrüsst sie es insbesondere, dass sowohl der Ständerat als auch der Nationalrat die Bedeutung eines Berufsgeheimnisschutzes für Unternehmensjuristinnen und -juristen anerkennen und einen solchen Schutz gutheissen. Der Nationalrat ist dem Ständerat einen grossen Schritt entgegengekommen und hat den Vorschlag des Bundesrates verworfen und stattdessen auf Basis der Fassung des Ständerates weiterberaten. Dabei hat er wichtige Anpassungen vorgenommen, welche dieses bedeutende Instrument in Bezug auf seine Praxistauglichkeit massiv verbessern.

Die vom Nationalrat auf Basis der Arbeiten der RK-S und des Ständerates angepasste Fassung kann im Sinne eines Kompromisses von der Wirtschaft unterstützt werden. Wir bitten Sie folglich, die Fassung des Nationalrates ohne weitere Anpassungen gutzuheissen.

 Der Berufsgeheimnisschutz dient der Stärkung der schweizerischen kleinen, mittleren sowie grossen Unternehmen im internationalen Wettbewerb.
Viele Länder, auch aus der EU, haben die Wichtigkeit der Einführung des Berufsgeheimnisschutzes erkannt und stellen sich im Interesse ihrer nationalen Unternehmen seit einigen Jahren entsprechend auf (bspw. Singapur, Deutschland, Spanien). Zudem nahm die OECD im Oktober 2021 eine Empfehlung zu Transparenz und prozessualer Fairness bei der Durchsetzung des Wettbewerbsrechts an. Unter Ziff. 6 wurde den OECD-Mitgliedern empfohlen, vertrauliche und privilegierte Informationen besonders zu schützen und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Wettbewerbsbehörden in angemessener Weise gegen eine unrechtmässige Offenlegung vertraulicher Informationen, über die sie verfügen, geschützt werden. Darüber hinaus sollten die Mitglieder privilegierte Kommunikation, insbesondere auch «Legal Privileges» wie den Berufsgeheimnisschutz für Unternehmensjuristen, einführen oder stärken.

Die Notwendigkeit der Einführung eines Berufsgeheimnisschutzes für Unternehmensjuristen bzw. des Mit­wirkungsverweigerungsrechts für Unternehmensjuristen ist in den Räten denn auch unbestritten. Offen ist noch die konkrete Ausgestaltung. Der Nationalrat hat mit dem Ziel der Kompromissfindung auf der Fassung des Ständerates gearbeitet. Er hat dabei wichtige Anpassungen vorgenommen und insbesondere auf das Kriterium des Gegenrechtes verzichtet. Dies ist aus mehreren Gründen von Bedeutung:

  1. Gegenrecht verhindert die Schaffung eines Betriebsklimas des Vertrauens und der Bereitschaft, aus Fehlern zu lernen

    Ein wichtiges Ziel des Berufsgeheimnisschutzes ist es, in den Unternehmen ein Klima des Vertrauens und damit die Bereitschaft zu schaffen, auf Fehler und Herausforderungen im Unternehmen hinzuweisen und aus diesen zu lernen. Dies unter Einbezug der Spezialistinnen und Spezialisten der Rechtsabteilungen. Eine offene Kommunikationskultur erfordert gleichzeitig aber das Vertrauen in den Schutz der Informationen. Informationen, welche an ausländische Behörden herausgegeben werden müssten, werden nicht offen geteilt. Wenn auf Grund eines Gegenrechtsvorbehaltes ein solcher Schutz erst im Rahmen eines Gerichtsverfahrens bestätigt wird, kann die notwendige Kommunikationskultur nicht entstehen.  

    Nur mit einer Kommunikationskultur der Offenheit kann aber die interne Compliance von schweizerischen Unternehmen gestärkt werden. Eine solche Stärkung schliesslich geschieht nicht nur im Interesse der Unternehmen und ihrer Mitarbeiter, sondern auch der Allgemeinheit.

  2. Gegenrecht öffnet Tür zur Umgehung des Geheimnisschutzes
    Wenn ein Gericht im Ausland zur Ansicht gelangt, eine ausländische Gesetzgebung sei einzig mit dem Zweck erlassen worden, den Zugriff ausländischer Behörden auf Dokumente im Beweiserhebungsverfahren zu verhindern, stellt sich eine solche Regelung regelmässig als nutzlos heraus. Hinzu kommt, dass die Bestimmung, wonach das Zeugnisverweigerungsrecht nur dann gelten solle, wenn die Gegenpartei an ihrem Sitz oder Wohnsitz ebenfalls über ein vergleichbares Verweigerungsrecht verfüge, in Zeiten multinationaler Zivilprozesse praxisfremd ist[1]. In der praktischen Umsetzung würde der Vorbehalt des Gegenrechts die schweizerischen Unternehmen in einem internationalen Zivilprozess gerade nicht schützen, wodurch die Rechtsunsicherheit in jeden einzelnen Fall für das betroffene Unternehmen gross wäre.

Wir bitten Sie daher, sich bei für Art. 167a E-ZPO für die Version des Nationalrates auszusprechen. Nachdem der Ständerat bereits von der Fassung des Bundesrates abgewichen ist, stellt diese Fassung nun einen Kompromiss zwischen den Räten dar. Mit der Übernahme der Lösung des Ständerates zusammen mit den Anpassungen des Nationalrates entscheiden Sie sich für eine in der Praxis „sicherere“ sowie einfach und klar umsetzbarere Lösung.

Download Stellungnahme [pdf]

 

[1] Siehe hierzu den NZZ-Online-Artikel vom 28. Mai 2021 des Rechtsdienstverantwortlichen der Georg Fischer AG, Marc. A. Lahusen, Rechtsanwalt, Group General Counsel, im Anhang

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