Editorials, Steuern

Im Juni hat die Schweizer Bevölkerung die OECD-Mindeststeuer angenommen, die Steuern für grosse Unternehmen werden steigen. Gleichzeitig verunsichern Subventionsprogramme in der EU oder den USA: Die Kantone stehen vor grossen Herausforderungen.

Die Schweizer Steuerpolitik ist eine Erfolgsgeschichte. Die im internationalen Vergleich tiefen Steuern haben dazu geführt, dass international tätige Unternehmen gewinnträchtige Konzernfunktionen in der Schweiz ansiedeln wollten. Für Bund, Kantone und Gemeinden hat dies mehr oder weniger automatisch zu auf hohem Niveau steigenden Steuereinnahmen geführt. Mit steigenden Steuern fällt der Grund für Konzerne, die besagten gewinnträchtigen Funktionen aus Eigeninteresse in der Schweiz anzusiedeln, weg.

Die Schweiz muss attraktiv bleiben – nur: für wen?

Die Diskussion um Standortmassnahmen, welche die Schweiz für Unternehmen weiterhin attraktiv machen, ist in vollem Gange. Vorschläge reichen von Kita-Plätzen bis zu umfangreichen Subventionen.

Aber: Ein Konzern ist kein homogenes Gebilde, und nicht alle Gruppengesellschaften bringen einem Standort hohe Steuereinnahmen. Es gilt sich vorab zu überlegen: Für wen will man attraktiv sein? Aus kantonaler Sicht ergibt es Sinn, sich auf Gesellschaften zu konzentrieren, die besonders gewinnträchtig sind und damit hohe Steuereinnahmen generieren. Doch welche sind dies?

Es ist das internationale Steuerrecht, genauer gesagt sind es die OECD-Transferpreisregeln, die entscheiden, welche Tätigkeiten für einen Staat steuerlich interessant sind. Diese Regeln bevorzugen Gruppengesellschaften, die innovative Lösungen mit hochqualifizierten Fachleuten entwickeln und die dazugehörigen finanziellen Risiken tragen.

Diesen Gruppengesellschaften steht der Grossteil des Gewinns einer multinationalen Gruppe zu. Die Schweiz mit all ihren Standortvorteilen – Rechtssicherheit, hochstehende Ausbildung, gute Infrastruktur und ein attraktives Steuerniveau – hat über lange Jahre von diesen Vorteilen profitiert. Die Schweiz war nie die Werkbank der Welt, die nur nachbaut, was andere erfunden haben.

Die Schweiz war und ist ein Motor der Entwicklung der Welt, weil sie die dafür notwendigen Funktionen und Aktivitäten inklusive der dazugehörigen Entscheidungsträger angesiedelt hat, was mit der hohen Zahl von Schweizer Patenten, Markenrechten und Know-how tagtäglich zum Ausdruck gebracht wird.

Gerade diese Funktionen und Aktivitäten müssen in der Schweiz gehalten werden. Nur ein solches innovatives Umfeld rechtfertigt gemäss den OECD-Regeln, dass hohe Gewinne in der Schweiz anfallen, die sich in entsprechenden Steuereinnahmen widerspiegeln.

Bei neuen Massnahmen das Ziel im Auge behalten

Die Schweiz hat eine gute Basis, um für Gesellschaften attraktiv zu bleiben, die innovative Lösungen mit hochqualifizierten Fachleuten entwickeln und die dazugehörigen finanziellen Risiken tragen. Allerdings müssen die Kantone nun handeln, damit sie das Schweizer Wirtschaftsmodell trotz OECD-Mindeststeuer bewahren und in eine prosperierende Zukunft führen können. Hierfür müssen die Kantone neue, zielgerichtete Massnahmen entwickeln.

Breite Subventionsprogramme sind fehl am Platz. Optimal sind «direkte Massnahmen», welche sich spezifisch auf die erwähnten Tätigkeiten und Fachleute fokussieren. Diese wirken sich finanziell unmittelbar beim Unternehmen aus und haben ein ausgezeichnetes Kosten-Nutzen-Verhältnis. Sie sichern hohe Steuereinnahmen und lassen möglichst viel finanziellen Spielraum für andere Massnahmen zugunsten der breiten Öffentlichkeit.

Kontakt
Gabriel Rumo | Direktor | +41 (0)79 712 20 20

Dieser Artikel ist am 9. Oktober 2023 in der Tagesausgabe der NZZ erschienen. Sie finden den Originalartikel hier.

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