Die Arbeiten an Säule 1 des OECD-Digitalbesteuerungsprojekt sind ins Stocken geraten. Obschon die Reform insgesamt eine erhebliche Herausforderung für den Schweizer Steuerstandort bedeutet, wären die volkswirtschaftlichen Risiken im Falle eines Scheiterns höher. SwissHoldings plädiert deshalb dafür, im weiteren Verfahren den Fokus auf eine umsetzungsorientierte Regulierung zu setzen, welche den unterschiedlichen Geschäftsmodellen der betroffenen Unternehmen Rechnung trägt.
Das von der OECD 2017/18 in Angriff genommene Projekt zur Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft mit seinen zwei Säulen (Säule 1: Stärkere Besteuerung insbesondere der Digitalkonzerne in den Marktstaaten; Säule 2: Einführung internationaler Mindestbesteuerungsvorgaben) kämpft mit erheblichen Problemen. Gerade das Herzstück, das eine geographisch ausgewogenere Besteuerung von Digitalkonzernen vorsieht, stösst auf grossen Widerstand. Nicht nur betroffene Unternehmen, sondern auch eine Vielzahl bedeutender Industriestaaten lehnen die von Steuerbeamten von nahezu 140 Staaten mitentwickelten Besteuerungsregeln ab. Der im Oktober 2020 präsentierte „Blueprint“ zu Säule 1 enthält viel zu komplizierte Regeln und wird in der Praxis von Unternehmen und Steuerverwaltungen kaum umsetzbar sein. Die Regeln sind nicht nur kompliziert, sondern teilweise auch steuersystematisch falsch und sollen zusätzlich zu den bereits bestehenden Steuerregelungen angewendet werden, was einen grossen administrativen Aufwand für die betroffenen Unternehmen und Steuerverwaltungen nach sich zieht. Darüber hinaus haben Analysen ergeben, dass das Steueraufkommen, das durch Säule 1 zusätzlich erreicht wird, vergleichsweise niedrig ist. Neben den Digitalkonzernen wie Google oder Facebook, die gemäss den geltenden Besteuerungsregeln mangels fester Geschäftseinrichtungen oder spezieller Geschäftsmodelle keine oder nur geringe Gewinnsteuern in den Marktstaaten abliefern, sollen auch Konsumgüterhersteller (sog. Consumer Facing Businesses) mehr Gewinnsteuern in den Marktstaaten entrichten. Letztere führen allerdings über ihre lokalen Vertriebsgesellschaften bereits heute hohe Steuerbeträge in Form von Gewinnsteuern, Quellensteuern, Zöllen und anderen Leistungen in den Marktstaaten ab.
Ein Scheitern der Reform wäre nicht im Sinn der Schweiz
Vor einem Jahr hofften manche Unternehmensvertreter wie auch zahlreiche Steuerbeamte von Industriestaaten insgeheim noch, dass das Projekt als Ganzes scheitert. Mittlerweile dürfte aber auch ihnen klar sein, dass der finanzielle Schaden für die Unternehmen und die Industriestaaten bei einem Misserfolg grösser sein könnte. Schlägt eine globale Konsenslösung fehl, drohen ernsthafte Wirtschaftskonflikte. Unter Leitung der UNO sind die Schwellen- und Entwicklungsstaaten nämlich daran, eine neue Quellensteuernorm zu schaffen, welche dann in die zahlreichen Doppelbesteuerungsabkommen (auch jene mit der Schweiz) aufgenommen werden soll. Quellensteuern sind für die betroffenen Unternehmen im Vergleich zu Steuern auf dem Gewinn in der Regel deutlich kostspieliger. Auch für die Sitzstaaten der betroffenen Unternehmen – wie bspw. die Schweiz – führen Quellensteuern zu höheren Steuerausfällen. Zwar dürfte sich die von der UNO entwickelte neue Quellensteuer auf digitale Dienstleistungen beschränken. Mit dem raschen Fortschreiten der Digitalisierung dürften allerdings immer mehr klassische Unternehmen ihre Produkte digital vertreiben und damit von der neuen Quellensteuer ebenfalls betroffen sein. Ein weiteres Problem sind die auch von verschiedenen Industriestaaten eingeführten Digital Service Taxes (DSTs), die sich voneinander unterscheiden und bei einer wachsenden Zahl von Unternehmen beträchtlichen administrativen Aufwand verursachen. Auch die EU arbeitet bereits an einem DST-Konzept für den Fall, dass die Arbeiten an Säule 1 scheitern würden.
Weder der Schweizer Fiskus noch die hiesige Wirtschaft haben deshalb ein Interesse daran, dass die Arbeiten an Säule 1 des OECD-Projekts zur Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft ergebnislos verlaufen. Zu immanent wäre in diesem Fall das Risiko, dass ein Wildwuchs neuer Steuern (DSTs etc.) den internationalen Handel, insbesondere von Dienstleistungen, und die Digitalisierung der Wirtschaft behindern würden.
Digitalkonzerne müssen gesondert reguliert werden
SwissHoldings setzt sich dafür ein, dass die neuen Regeln mit vernünftigem Aufwand umsetzbar sind, die Rechtssicherheit gegenüber heute verbessert wird, Doppelbesteuerungen vermieden werden und die Umverteilung zu den Marktstaaten moderat ausfällt. Im Vergleich zum aktuellen Blueprint müssen einfache, klare und prinzipienbasierte Regelungen gefunden werden. Es müssen Streitlösungsmechanismen geschaffen werden, die Streitigkeiten zwischen Staaten umgehend lösen, und erst anschliessend ist das betroffene Unternehmen zur Steuerzahlung verpflichtet.
Zentral ist, dass die zusätzliche Umverteilung zu den Marktstaaten auf diejenigen Unternehmen beschränkt wird, die für den Vertrieb ihrer Produkte und Dienstleistungen keine Gesellschaften in den Markstaaten unterhalten. Dies betrifft in erster Linie die Digitalkonzerne. Nur bei diesen Unternehmen vermögen die bestehenden internationalen Besteuerungsregeln nicht zu überzeugen. Eine Modernisierung der Besteuerungsregeln aufgrund der Digitalisierung der Wirtschaft sollte sich deshalb auf Digitaltransaktionen beschränken.
- Weitere Informationen zu den Arbeiten der OECD finden sie im SwissHoldings Dossier Digitalbesteuerung.